FACHGRUPPE BETREUUNGSRECHT
ÜBERSICHT
Die Bedeutung privater Berufsunfähigkeitsversicherungen hat zugenommen, seit die gesetzliche Rentenversicherung keine Berufsunfähigkeitsversicherung mehr vorsieht und sich auf die Kompensation geminderter Erwerbsfähigkeit beschränkt.
Aktuell sind in der Bundesrepublik Deutschland über 13 Millionen private Versicherungsverträge zur Absicherung gegen krankheits- oder verletzungsbedingte Berufsunfähigkeit registriert.
Pro Jahr werden in Deutschland mehrere 100.000 BU Leistungsfälle reguliert. Dabei kommt es immer wieder zu aufwändigen Prüfungen, bei denen auch der Rechtsweg beschritten werden kann. Das Risiko für aufwendige Prüfungen und gegensätzliche Bewertungen der beruflichen Leistungsfähigkeit ist u.a. dann erhöht, wenn Leistungsbeeinträchtigungen aufgrund psychischer und psychosomatischer Störungen geltend gemacht werden. Dies betrifft etwa jeden dritten Versicherungsfall.
Grundlage jeder Leistungsregulierung ist der Begriff der Berufsunfähigkeit, der in allen Bedingungswerken der privaten Lebensversicherer mehr oder weniger übereinstimmend verwendet wird. Eine typische Definition lautet: Eine Leistung kann beanspruchen, wer infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, zu mindestens 50 % im Vergleich mit einem körperlich und geistig gesunden mit vergleichbaren Fähigkeiten und Kenntnissen außerstande ist, seinen Beruf auszuüben. Dieser Zustand muss mindestens sechs Monate andauern.
Als berufliches Anforderungsprofil gilt in aller Regel die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit.
Keine Leistung muss vertragsgemäß erbracht werden, wenn der Versicherten in der Lage ist, eine sogenannte konkrete Verweistätigkeit auszuüben. Ergänzend ist zu prüfen, ob der Versicherte auch keine andere Tätigkeit ausüben kann, die ihm aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung zugemutet werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht (sogenannte abstrakte Verweisung).
Auftraggeber für Begutachtungen der Berufsunfähigkeit sind private Berufsunfähigkeitsversicherungen, Rückversicherer sowie Zivilgerichte.
Hinweise für Auftraggeber
Verschiedentlich wird von einzelnen Versicherern die Position vertreten, Psychologen sei nicht berechtigt, im Rahmen der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung rechtlich verwertbare Begutachtungen vorzunehmen. Wir vertreten die Position, dass die gängige Definition der Berufsunfähigkeit lediglich vorsieht, dass die potentiell leistungsmindernden Ursachen (Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall) medizinisch nachzuweisen seien. Die Definition sieht hingegen nicht vor, dass die eigentliche Zielgröße der rechtlichen Bewertung, nämlich die zu bewertenden Merkmale der intaktem und beeinträchtigten beruflichen Leistungsfähigkeit, medizinisch nachzuweisen sein.
Hinzu kommt, dass der Begriff Kräfteverfall im medizinischen Schrifttum praktisch nicht vorkommt, es sich also um eine Bezeichnung der Versicherungswirtschaft handelt, die gleichermaßen wissenschaftlich gestützte psychologisch interpretiert werden kann.
Die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit kann als genuine Aufgabe qualifizierter Psychologinnen und Psychologen verstanden werden. Daher ist es aus unserer Sicht inhaltlich und auch rechtlich gerechtfertigt, Psychologinnen und Psychologen mit der Begutachtung einer krankheits-, verletzungs- oder durch Kräfteverfall bedingten Berufsunfähigkeit zu beauftragen.
Fachliche Voraussetzungen an psychologische Gutachter
Psychologische Sachverständige sind aufgrund ihres Studiums und nachfolgender Fort- und Weiterbildungen in aller Regel in der Lage, die individuelle berufliche Leistungsfähigkeit sowie krankheitsbedingte Leistungsbeeinträchtigungen zu beurteilen. Sie sind auch in der Lage, medizinische Befunde zu Krankheiten und Behandlungen in die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit zu integrieren. Sie sind daher aufgrund ihrer Qualifikation auch dazu in der Lage, ein sogenanntes Hauptgutachten unter Berücksichtigung medizinischer Nebengutachten zu erstellen.
Die Integration medizinischer Befunde und Behandlungsergebnisse in ein psychologisches Gutachten zur Berufsunfähigkeit erfordert keine Approbation als psychologischer Psychotherapeut.
Notwendig sind die folgenden Voraussetzungen:
- Master-Abschluss in Psychologie
- Gute bis sehr gute Kenntnisse in psychologischen Mess- und Testmethoden
- Mehrjährige Tätigkeit als psychologischer Sachverständiger.
Sinnvoll können außerdem folgende Zusatzqualifikationen sein:
- Mehrjährige berufliche Erfahrungen in der beruflichen oder medizinischen Rehabilitation,
- Zusatzqualifikation für klinisch psychologische Gutachtertätigkeit (z.B. als klinischer Neuropsychologe, Fachpsychologe in Rechtspsychologie, Approbation zum psychologischen Psychotherapeuten
- Mehrjährige Tätigkeit in einer medizinischen oder psychologischen Einrichtung mit gutachterlichem Schwerpunkt (z.B. Einrichtungen zur Leistungs-, Fähigkeits- oder Begabungsdiagnostik, aber auch zur Beurteilung spezifischer Leistungsbeein-trächtigungen sein wie etwa die psychologische Begutachtungsstelle beim TÜV).
- Mehrjährige berufliche Erfahrungen mit der Einzelfallbeurteilung in der Berufseignungsdiagnostik (z.B. Bundesamt für Arbeit, Jobcenter)
FRAGESTELLUNGEN
Die o.g. Definition der Berufsunfähigkeit liegt jedem Verfahren der Leistungsregulierung zugrunde.
Zentral sind Fragen zum Nachweis einer Erkrankung oder behandlungsbedürftigen psychischen Störung sowie zu deren Auswirkungen auf die Berufsausübung. Die individuellen Versicherungsbedingungen wie auch die Anknüpfungstatsachen müssen dem Gutachter zur Kenntnis gebracht werden, da sie von Versicherung zu Versicherung unterschiedlich sind.
Meist werden eine Vielzahl von Fragen gestellt, die Art und Ausmaß von Erkrankungen oder psychischen Störungen, Krankheitsverarbeitungsprozessen, Merkmalen der Leistungsfähigkeit und die Einschätzung krankheits- oder störungsbedingter Funktions- und Leistungsbeeinträchtigungen betreffen. Teilweise werden standardisierte Fragenkataloge vorgegeben, die um einzelfallbezogene Aspekte ergänzt oder modifiziert werden.
Die folgenden Fragen sind gängig:
Allgemeine Fragen
- Welchen Tagesablauf schildert die versicherte Person?
- Über welche Beschwerden klagt der/die Versicherte?
- Stellen Sie - sofern möglich - Krankheitsursache und Krankheitsverlauf dar!
- Welche medizinischen und psychologischen Befunde können erhoben werden? Sofern kognitive Beeinträchtigungen aus organischen oder seelischen Gründen geltend gemacht werden, überprüfen Sie, ob dies auf der Befundebene bestätigt werden kann. Dazu müssen entsprechende psychologische Testverfahren eingesetzt werden.
- Bestehen Diskrepanzen zwischen den geäußerten Beschwerden und objektiven Befunden? Gibt es Hinweise auf Aggravation oder Simulation?
- Welche Diagnosen stellen Sie? Bitte nennen Sie auch Differenzialdiagnose und begründen Sie, weshalb Sie als herzustellende Diagnosen nicht in Betracht kommen.
- Welche Behandlungen wurden bisher durchgeführt? Wurden die Maßnahmen kontrolliert?
- Sind die Beschwerden einer Therapie zugänglich?
- Wurden die Beschwerden adäquat therapiert?
- Rechnen Sie mit einer gesundheitlichen Verbesserung im Falle einer optimalen Therapie? Wenn ja, welche Verbesserungen sind in welchem Zeitraum zu erwarten? Wenn nein, aus welchen Gründen ist keine Verbesserung zu erwarten?
- Beschreiben Sie bitte, wie die Prognose der diagnostizierten Krankheit / psychischen Störungen nach medizinischem Kenntnisstand beurteilt wird! Legen Sie sodann dar, welche individuellen Faktoren gegebenenfalls eine davon abweichende Individualprognose begründen!
Fragen zum Leistungsvermögen
- Konzentrationsfähigkeit: Inwieweit ist das konzentrative Leistungsvermögen eingeschränkt? Wie lange kann die versicherte Person ununterbrochen konzentriert Tätigkeiten verrichten? Nach welcher Zeit sollten Pausen eingelegt werden? Wie lange am Tag können konzentriert Tätigkeiten ausgeübt werden, wenn ausreichende Pausen eingelegt werden?
- Merk- und Gedächtnisfähigkeit: Inwieweit ist das Leistungsvermögen bezüglich der Gedächtnisfähigkeit eingeschränkt? Lassen sich Beeinträchtigungen des Arbeitsgedächtnisse, Gedächtnisses, des Langzeitgedächtnis nachweisen? Welche beruflichen Tätigkeiten durch Beeinträchtigungen der Merkfähigkeit und des Gedichtes ist eingeschränkt? Inwiefern sind die Beeinträchtigungen durch geeignete Maßnahmen kompensierbar?
- Denk und Problemlösefähigkeit: allgemeine geistige Leistungsfähigkeit/ das allgemeine Intelligenzniveau? Wie ausgeprägt sind sprach- und wissensgebundene Intelligenzfunktionen? Ausgeprägt sind weitgehend sprachunabhängige Intelligenzfunktionen? Wie sind angesichts der testpsychologisch erfassten geistigen Fähigkeiten allgemeine und spezifisch berufsbezogene Problemlösefähigkeiten zu veranschlagen? Welche konkreten Beeinträchtigungen liegen aufgrund beeinträchtigter Denk und Problemlösefähigkeit vor?
- Interaktion und Kommunikationsfähigkeiten: inwiefern bestehen Beeinträchtigungen der sozialen Kompetenz (zum Beispiel soziale Angst, Beeinträchtigung der Durchsetzungsfähigkeit, Kritikfähigkeit, Empathie, Kontaktfähigkeit, Gruppenfähigkeit)? Inwiefern sind die Beeinträchtigungen Krankheitswert dich? Über welche kommunikativen Fähigkeiten bzw. Ressourcen verfügt der Versicherte? Wie wirken sich die nachgewiesenen Beeinträchtigung der Sozialkompetenz auf die berufliche Leistungsfähigkeit (zum Beispiel Kundengespräche, Mitarbeitergespräche, Gesprächsdauer) aus? Inwiefern sind die Beeinträchtigungen durch geeignete Maßnahmen kompensierbar?
- Arbeiten unter Zeitdruck: inwiefern ist das Leistungsvermögen bezüglich des Arbeitens unter Zeitdruck eingeschränkt? Wie lange vermag die versicherte Person ununterbrochen unter Zeitdruck Tätigkeiten zu verrichten? Nach welcher Zeit sollten Pausen eingelegt werden? Wie lang am Tag können Tätigkeiten unter Zeitdruck ausgeübt werden, wenn ausreichende Pausen eingelegt werden?
- Arbeit mit besonderer Verantwortung: welche psychischen oder sozialen Eigenschaften oder Fähigkeiten des Versicherten beeinträchtigen die Übernahme verantwortungsvoller beruflicher Tätigkeiten? Inwieweit ist das Leistungsvermögen bezüglich des Arbeitens mit besonderer Verantwortung eingeschränkt? Wie lange vermag die versicherte Person ununterbrochen unter besonderer Verantwortung Tätigkeiten zu verrichten? Nach welcher Zeit sollten Pausen eingelegt werden? Wie lange am Tag können Tätigkeiten unter besonderer Verantwortung ausgeübt werden, wenn ausreichende Pausen eingelegt werden?
- Autofahren: inwieweit ist das Leistungsvermögen bezüglich des Autofahrens eingeschränkt? Wie lange vermag die versicherte Person ununterbrochen ein zu Fahrzeug zu führen? Wie lange kann ein Fahrzeug geführt werden, wenn ausreichende Pausen eingelegt werden?
- Invalidität: gab es Hinweise auf eine eingeschränkt Invalidität der individuellen Ergebnisse zu Leistungsfunktionen (z.B. inkonsistente Angaben, fraglich plausible Ergebnisse, Auffälligkeiten in Kontrollskalen zu Leistungsfunktionen oder neuropsychologischen Beschwerdenvalidierungstests?)
Fragen zum Leistungsvermögen nach beruflichen Tätigkeiten
Bitte bewerten Sie, in welchem zeitlichen Umfang die versicherte Person ihren Teiltätigkeiten als xxx noch nachgehen kann (Beispiel):
- Arbeitsgespräch mit Mitarbeitern
- Beratung und Gestaltungsgespräche mit Mandanten
- Verfassung von Prüfungen und Berichten
- Erstellung von Bilanzen
- Marketingtätigkeiten
Gibt es zumutbare (einfache und gefahrlose) Therapiemaßnahmen und oder technische Hilfsmittel, die der versicherten Person die Berufsausübung erleichtern können?
Bitte schildern Sie das allgemeine positive und negative Restleistungsvermögen unter Berücksichtigung zumutbarer Therapiemaßnahmen und technischen Hilfsmittel!
Für den Fall, dass in den Ihnen übersandt medizinischen Unterlagen Bewertungen zum Leistungsvermögen vorhanden sind, die von ihren Bewertungen abweichen, erläutern Sie bitte soweit möglich die Gründe hierfür!
Gesetzliche Grundlagen
Versicherungsvertragsgesetz (VVG)
https://www.gesetze-im-internet.de/vvg_2008/
Zivilprozessordnung
Informationen aus der Rechtsprechung
Widersprüchliche Angaben zu Anknüpfungstatsachen
Wird der Umfang der zuletzt ausgeübten Berufstätigkeit durch den Versicherten widersprüchlich dargestellt (hier: die Dauer der Arbeitszeit wird unterschiedlich angegeben), fehlt es an ausreichend nachvollziehbaren Anknüpfungstatsachen, die einem medizinischen Sachverständigen für die Erstellung eines Gutachtens vorgegeben werden können.
OLG Köln, VersR 2009, 667
Potentielle Bedeutung berufsbezogener und nicht berufsbezogener Leistungen für die Plausibilität berufsbezogener Leistungseinschränkungen
Es darf nicht außer acht gelassen werden, dass der Kläger sich noch zum Jahreswechsel 2005 2006 offenbar in der Lage gesehen hat, ein selbstständiges Gewerbe anzumelden und einzurichten, was erheblichen körperlichen und psychischen Einsatz erfordert haben muss, und dass er unstreitig bis weit in das Jahr 2007 hinein an Halbmarathon und zehn Kilometerläufen teilgenommen und dabei Zeiten erreicht hat, die- worauf der Sachverständige zu Recht hinweist- ohne regelmäßiges Training nicht zu erreichen sind. Ein leidensbedingtes Verlassen der sechs Monate lang ausgeübten Tätigkeit bei der Firma XY im November 2005 liegt vor diesem Hintergrund fern.
OLG Saarbrücken, ZfSch 2013, 646
Fehlverarbeitung durch Versorgungswunsch
Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente besteht nicht, wenn aufgrund eines psychiatrisch- psychotherapeutischen Fachgutachtens feststeht, dass bei dem Versicherungsnehmer – hier: selbstständiger Handelsvertreter und Gruppenleiter - zwar eine psychische Fehlverarbeitung eines Verkehrsunfalls vorliegt, diese jedoch im wesentlichen Umfange durch einen Versorgungswunsch motiviert ist, sodass das Vorliegen bzw. anhalten einer depressiven Symptomatik bzw. einer Angsterkrankung im Sinne einer Panikstörung ausgeschlossen werden kann.
OLG Koblenz, ZfSch 2005, 404
Aggravation und Beweislast
Übertreibt der Versicherungsnehmer seine Krankheit gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen und lässt sich deswegen nicht feststellen, ob der Versicherungsnehmer zu mindestens 50 % in der Ausübung seines Berufes gehindert ist, gereicht dies dem beweispflichtigen Versicherungsnehmer zum Nachteil.
OLG Frankfurt, ZfSch 2006, 524
Willensanstrengung, zumutbare Therapie, Aggravation
Wegen der vorliegend abgegebenen Aggravation durch den Kläger können keine ausreichenden Feststellungen getroffen werden, inwieweit eine beim Kläger etwa vorliegende psychische Störung durch Willensanstrengung überwunden werden kann. Bejahendenfalls ist eine Berufsunfähigkeit nicht festzustellen, sodass das unklare Beweisergebnis insoweit zu Lasten des Klägers geht. Entsprechendes gilt für den Fall, dass nach Feststellung einer psychischen Störung die Leistungsfähigkeit durch eine zumutbare (zum Beispiel medikamentöse) Therapie oder einfache versorgende und begleitende Maßnahmen hergestellt werden kann.
OLG Frankfurt, OLGR Frankfurt 2008,761
Auflösung des Arbeitsverhältnisses oder Insolvenz des Unternehmens ist versicherungsvertraglich unbeachtlich
Führen zeitgleich mit behaupteten gesundheitlichen auch tatsächliche wirtschaftliche Gründe dazu, dass ein mitarbeitende Betriebsinhaber seine berufliche Tätigkeit einstellt, so ist der Versicherungsfall nur eingetreten, der auch ohne die ökonomische Entwicklung gesundheitlich nicht mehr seine Tätigkeit hätte fortsetzen können.
OLG Saarbrücken, VersR, 2007, 96
Leistungseinschätzungen müssen festgestellt und dürfen nicht geschätzt werden
Maßgeblich für die Bemessung des Grades der Berufsunfähigkeit eines selbständigen Versicherungsvertreters sind keine prozentualen Schätzungen, sondern Feststellungen zu den konkreten Funktionen gesundheitlichen Einschränkungen bei Wahrnehmung seiner verschiedenen Teiltätigkeiten.
OLG Saarbrücken, VersR 2010, 799
Beschwerdenschilderungen sind befundlich durch geeignete (testpsychologische) Methoden zu sichern
Fehlen objektive Befunde für eine Berufsunfähigkeit verursachende Erkrankung, so kann deren Nachweis auf der Grundlage einer sachverständigen Begutachtung der Beschwerdenschilderung erfolgen. Der Sachverständige darf diese Beschwerdeschilderung jedoch nicht unbesehen hinnehmen, sondern muss sie anhand der hierfür zur Verfügung stehenden Methoden und testpsychologischen Verfahren überprüfen.
OLG Saarbrücken, VersR 2011, 249
Pflicht des Versicherten zur Nachprüfungsbegutachtung
Die Aufforderung an den Versicherungsnehmer, sich gemäß § 4 Nr. 3 BUZ einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, dient der Vorbereitung der Entscheidung, ob der Versicherer weiterhin gemäß seinem Leistungsanerkenntnis die vertragsgemäßen Leistungen der Berufsunfähigkeitsversicherung zu erbringen hat. Die Frage, ob eine Fehleinschätzung des Versicherers beim Leistungsanerkenntnis zu korrigieren ist, stellt sich jedoch erst im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens, dem die ärztliche Untersuchung vorausgeht. Es besteht auch keine Veranlassung, den Untersuchungsauftrag an den Arzt von vornherein zu beschränken. Das Nachuntersuchungsrecht ist auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar in keiner Weise eingeschränkt. Der Versicherungsnehmer ist vielmehr verpflichtet, sich umfassend ärztlich untersuchen zu lassen.
OLG Köln VersR2014, 487
WISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGE
- Dohrenbusch, R. (2012). Leitlinienbasierte Begutachtung der Berufsunfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankungen. Forum Medizinische Begutachtung, 1, 10-15.
- Dohrenbusch, R., Merten, T., Kutzner, M. (2014). Psychologische Begutachtung in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Frankfurt: Referenz-Verlag.
- Dohrenbusch, R. (2015). Leistungsbeurteilung bei depressiven Störungen und Erschöpfungszuständen. BUaktuell, 1, 7-14.
- Dohrenbusch, R. (2015). Psychologische Mess- und Testverfahren für die Begutachtung im Sozial-, Zivil- und Verwaltungsrecht. Übersicht und Anwendung. Frankfurt: Referenz-Verlag.
- Schneider, W., Dohrenbusch, R., Freyberger, H.J., Henningsen, P., Irle, H., Köllner, V., Widder, B. (2016) (Hrsg.). Begutachtung bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. Autorisierte Leitlinien und Kommentare. Göttingen: Hogrefe.
- Dohrenbusch, R., Schneider, W., Widder, B. (2016). Probleme und Strategien bei der Bewertung psychisch bedingter Berufsunfähigkeit. In W. Schneider, R. Dohrenbusch, H.J. Freyberger, P. Henningsen, H. Irle, V. Köllner, B. Widder (Hrsg.), Begutachtung bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. Autorisierte Leitlinien und Kommentare. (S. 290-306). Göttingen: Hogrefe
- Merten, T., Dohrenbusch, R. (2016). Psychologische Methoden der Beschwerdenvalidierung. In W. Schneider, R. Dohrenbusch, P. Henningsen, H.J. Freyberger, H. Irle, V. Köllner, B. Widder (Hrsg.), Begutachtung bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. Autorisierte Leitlinien und Kommentare (S. 152-188). Göttingen: Hogrefe.
- Dohrenbusch, R., Schneider, W. (2016). Prognosenstellung. In W. Schneider, R. Dohrenbusch, H.J. Freyberger, P. Henningsen, H. Irle, V. Köllner, B. Widder (Hrsg.), Begutachtung bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. Autorisierte Leitlinien und Kommentare. (S. 231-245). Göttingen: Hogrefe.
- Dohrenbusch, R., Köllner, V. (2016). Begutachtung affektiver und erschöpfungsbedingter / neurasthenischer Störungen. In W. Schneider, R. Dohrenbusch, H.J. Freyberger, P. Henningsen, H. Irle, V. Köllner, B. Widder (Hrsg.), Begutachtung bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. Autorisierte Leitlinien und Kommentare. (S. 349-368). Göttingen: Hogrefe.
- Dohrenbusch, R., Becker, D., Kahnert, S., Kowalewsky, S., Kraft, D., Schickel, S. (2016). Evaluation von Gutachten zu psychisch bedingter Berufsunfähigkeit. In W. Schneider, R. Dohrenbusch, H.J. Freyberger, P. Henningsen, H. Irle, V. Köllner, B. Widder (Hrsg.), Begutachtung bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. Autorisierte Leitlinien und Kommentare (S. 369-383). Göttingen: Hogrefe.
- Dohrenbusch, R. (2016). Bedeutung willentlicher Steuerungsprozesse in Gutachten zu psychisch bedingter Berufsunfähigkeit. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 64, 171-179.
- Dohrenbusch, R. (2012). Leitlinienbasierte Begutachtung der Berufsunfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankungen. Forum Medizinische Begutachtung, 1, 10-15.
Literaturempfehlungen und Links
Sonstige Publikationen
- Hausotter, W. , Neuhaus, K.-J. (2019). Die Begutachtung für die Private Berufsunfähigkeitsversicherung. Ein Leitfaden für medizinische Gutachter und Sachbearbeiter in den Leistungsabteilungen privater Versicherer. 2. Auflage. Karlsruhe: Verlag Versicherungswirtschaft.
- Schneider, W., Dohrenbusch, R., Freyberger, H.J., Henningsen, P., Irle, H., Köllner, V., Widder, B. (2016) (Hrsg.). Begutachtung bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. Autorisierte Leitlinien und Kommentare. Göttingen: Hogrefe
Links für Sachverständige
Interdisziplinäre Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Störungen
Erstellung: Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie e.V. (DGPM), Deutsche Gesellschaft für Neurowissenschaftliche Begutachtung e.V. (DGNB), Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. (DGPPN), Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs), Gesellschaft für Neuropsychologie (GNP) beteiligt.
Musterbedingungen für Berufsunfähigkeitsversicherungen (AVB = Allgemeine Versicherungsbedingungen)
https://www.gdv.de/de/ueber-uns/unsere-services/musterbedingungen-23924
Glossar/ Lexikon
Änderungsmotivation, Anforderungsanalyse, Anforderungsbewältigung (Akkomodation), Anforderungsprofil, Anforderungswahrnehmung, Akkordarbeit, Allgemeine Versicherungsbedingungen, Antwortmotivation, Arbeitsmotivation, Arbeitsplatzbedingungen, Arbeitsplatzanalyse, Arbeitsprobe, Arbeitsverhalten, Beanspruchung, Befund, Befundsicherung, Begutachtungsleitlinien, Belastung, Beruf, berufliche Eignung, berufliche Rehabilitation, Berufs und Bildungsanamnese, Berufsunfähigkeit, Berufsunfähigkeitsversicherung, Beschwerdenvalidierung, Bewältigungsverhalten, Beweislast, Beweismaßstab, biopsychosoziales Modell, Diagnose, Dysfunktion, Evaluation funktioneller Leistungsfähigkeit, exekutive Funktionen, Fähigkeit, Fähigkeitsprofil, Fertigkeit, Förderfaktoren, Funktionsbeeinträchtigung, Funktionsfähigkeit Funktionsstörung, Funktionstest, Gedächtnisfähigkeit, Gesundheitsproblem, Inanspruchnahmeverhalten, intakte Funktionen, Intelligenz, Körperverletzung, kognitive Funktionen, kognitive Störungen, Kontextfaktoren, Kräfteverfall, Krankheit, Krankheitsfaktor, Krankheitsgewinn, Krankheitsverarbeitung, kriteriumsorientierte Leistungsmessung, Lärm, Leistung, Leistungsbeeinträchtigung, Leistungsbegutachtung, Leistungsbild, Leistungsfähigkeit, Leistungsgrenze, Leistungskurve, Leistungsmotivation, Leistungsniveau, Leistungspotenzial, Leistungstest, Leistungsverhalten, Mitwirkung, Motivation, motivationale Funktionen, motorische Funktionen, Nachprüfung, Persönlichkeitseigenschaft, Persönlichkeitsstörung, physiologische Funktionsmessung, Problemlösefähigkeit, Prokrastination, psychischer Befund, psychische Störung, Psychotherapie, Publikumsverkehr, qualitatives Leistungsvermögen, quantitatives Leistungsvermögen, Rehabilitation, Routineverhalten, Schichtarbeit, Selbstkonzept, Selbstregulation, Selbstwirksamkeit, selektive Aufmerksamkeit, Stress, suboptimales Leistungsverhalten, Systembedingungen, Teilfunktion, Teilleistungsstörung, Testbatterie, Therapierbarkeit, Testmotivation, Umgebungsvariablen, Umwelt, Untersuchungsbefund, Validierung, Verantwortung, Verweistätigkeit, Wirksamkeit (von Therapie), Zeitdruck, Zivilprozessordnung.
Eigene Publikationen
Publikationen von Mitgliedern der DGPsB, die diesen Bereich betreffen, als Zusammenfassungen oder Originalbeiträge (pdf).
Positionen und Kontroversen
- Themenspezifische Reaktionen der Fachgruppe auf Anfragen oder Kommentare
- Aktuelle Entwicklungen
AKTIVITÄTEN
Maßgebliche und/oder aktuelle Beiträge zur psychologischen Begutachtung in diesem Bereich:
(a) Zur Untersuchungsmethodik (z.B. Durchführung von Untersuchungen zur beruflichen Leistungsfähigkeit bei körperlich schwerer Tätigkeit)
(b) Zur Urteilsbildung (z.B. Gewichtung von Validierungsergebnissen bei kognitiver Testung)
(c) Sonstiges
KONTAKTPERSON
Dr. Ralf Dohrenbusch
Institut für Psychologie der Universität Bonn
Kaiser Karl-Ring 9
53111 Bonn
r.dohrenbusch@uni-bonn.de