Fachgebiet Familienrecht
Familienrechtliche Begutachtung dient dazu, Entscheidungs-hilfen zur Beurteilung des Kindeswohls zu liefern und geeignete Maßnahmen zur Sicherung des Kindeswohls vorzuschlagen und psychologisch zu begründen.
Die Untersuchungen beinhalten u.a. eine sorgfältige Ausein-andersetzung mit der familiären Ausgangslage und ihrer bisherigen Entwicklung, Erhebungen zur Beurteilung des oder der betroffenen Kinder, der jeweiligen Bezugspersonen im Einzelnen und des familiären Systems.
Meist erfolgen die Erhebungen und Bewertungen im Hinblick auf die zu beurteilende Beziehungs- und Erziehungsfähigkeit der Beteiligten und die Auswirkungen auf die betroffenen Kinder.
Hinweise für Auftraggeber
Auftraggeber für Begutachtungen zu Fragen der Erziehungsfähigkeit von Erziehungsberechtigten, zur Beurteilung des Kindeswohls sowie zu Entscheidungshilfen bei Fragen zum Sorgerecht und Umgangsrecht können zuständige Behörden (z.B. Jugendamt) sowie Familiengerichte sein.
Die Suche nach geeigneten Sachverständigen kann folgende Kriterien einschließen:
- Gutachterliche Qualifikation (z.B. Abschluss Master Rechtspsychologie)
- Praktische Erfahrung mit gutachterlicher Tätigkeit im Familienrecht
- Berufliche Tätigkeit in einer Einrichtung mit Schwerpunkt Betreuung oder Beratung von Kindern und Jugendlichen (z.B. psychologische Tätigkeit in der Kinder- oder Jugendbetreuung, psychologische Tätigkeit in der Ehe- und Familienberatung)
- Eigene Forschungs- und Publikationstätigkeit zu Aspekten der familienrechtlichen Begutachtung.
Fachliche Voraussetzungen an psychologische Gutachter
Begutachtung zu familienrechtlichen Fragestellungen ist traditionell Aufgabe psychologischer Sachverständiger.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Medizinern kann notwendig sein, wenn Erkrankungen oder krankheitswertige psychische Störungen bei den Beteiligten (Eltern, Erziehungsberechtigten, Kindern) manifest sind und dies in die Beantwortung der Fragestellungen einbezogen werden müssen.
Notwendig sind die folgenden Voraussetzungen:
- Master-Abschluss in Psychologie
- Gute bis sehr gute Kenntnisse im den Bereichen Psychologie des Kinder- und Jugendalters, Entwicklungspsychologie, Sozialpsychologie und psychologische Diagnostik.
Sinnvoll können folgende Zusatzqualifikationen sein:
- Mehrjährige berufliche Erfahrungen in der Unterbringung oder Betreuung von Kindern/ Jugendlichen (Schwerpunkt Diagnostik, Förderung, Beratung)
- Zusatzqualifikation als Fachpsychologe/Fachpsychologin in Rechtspsychologie
- Approbation zum psychologischen Psychotherapeuten
- Berufliche Tätigkeit in einer Ehe- und Familienberatungsstelle / Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche
Fragestellungen
Meist werden in der familienrechtlichen Begutachtung Fragen zum Kindeswohl gestellt, die aber in eine größere Zahl psychologischer Fragestellungen übersetzt werden können.
Die folgenden rechtlichen Fragen können z.B. auf die Begründung einer rechtlichen Entscheidung im Rahmen des Umgangsrechts ausgerichtet sein:
- Ist bei dem Kind eine Kindeswohlgefährdung eingetreten oder zu befürchten in dem Sinne, dass sich eventuell eingetretene Loyalitätskonflikte auf das Wohl auswirken könnten?
- Von welcher Art und Schwere sind die bereits eingetretenen körperlichen oder psychosozialen Beeinträchtigungen des Kindes?
- Welche Ursachen haben diese Beeinträchtigungen?
- Wie sind die Fähigkeiten und die Bereitschaft beider Elternteile zur Kooperation mit dem anderen Elternteil zu beurteilen?
- Welche Umgangsregelung und Umgangsgestaltung dient dem Kindeswohl am besten?
- Haben die Eltern ausreichende Ressourcen, um ihrem Kind einen störungsfreien Umgang zu ermöglichen?
- Haben die Eltern ausreichende Bindungstoleranz? (...)
Rechtliche Begriffe (z.B. Kindeswohlgefährdung, Umgang) müssen in psychologische Begriffe und rechtliche Fragen in psychologische Fragen übersetzt werden, bevor sie -auf der Grundlage fachlicher/psychologischer Erkenntnisse beantwortet werden (z. B. Welcher Art sind die psychischen, kognitiven, emotionalen und sozialen Entwicklungsbesonderheiten des Kindes? Wie verlief die Bindungsentwicklung des Kindes?)
Gesetzliche Grundlagen
Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
https://www.gesetze-im-internet.de/famfg/
Zivilprozessordnung
Informationen aus der Rechtsprechung
Bücher
Albrecht, Karl-Dieter (2020): Familienrecht. Hg. v. Werner Bienewald und Michael Coester LL.M. Berlin: Sellier - de Gruyter.
Beckmann, Janna (2019): Frankfurter Kommentar zum SGB VIII. Kinder- und Jugendhilfe. 8. Auflage. Hg. v. Johannes Münder, Thomas Meysen und Thomas Trenczek. Baden-Baden: Nomos.
Borth, Helmut; Grandel, Mathias (2018): Familiengerichtliches Verfahren. 1. und 2. Buch : Kommentar. 6., neubearbeitete Auflage. Hg. v. Hans-Joachim Musielak. München: Verlag Franz Vahlen.
Breitschmid, Peter; Jungo, Alexandra (Hg.) (2016): Personen- und Familienrecht, Partnerschaftsgesetz. 3. Auflage. Zürich, Basel, Genf: Schulthess.
Breuers, Christian (2019): Familienrecht. Kommentar. 6. Auflage. Hg. v. Gerd Weinreich und Michael Klein. Köln: Luchterhand Verlag.
Buchwald; Hallamik; Beitzke (Hg.) (2020): Familienrecht [§ 1297–1921]. 9. Aufl. Berlin/Boston: De Gruyter.
Fröschle, Tobias (2020): Familienrecht II. §§ 1589-1921, SGB VIII. 8. Auflage. Hg. v. Dieter Schwab. München: C.H. Beck (Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 10).
Haußleiter, Martin (Hg.) (2017): FamFG. Kommentar. Unter Mitarbeit von Christian Gomille, Martin Heidebach und Till Schemmann. 2. überarbeitete und ergänzte Auflage. München: C.H. Beck.
Johannsen, Kurt Herbert (2020): Familienrecht. Scheidung, Unterhalt, Verfahren: Kommentar. 7.Auflage. Hg. v. Dieter Henrich und Christoph Althammer. München: C.H. Beck.
Klein, Michael (Hg.) (2011): Fachanwaltskommentar Familienrecht. Unter Mitarbeit von Gerd Weinreich. 4. Aufl. Köln: Luchterhand.
Rauscher, Thomas (Hg.) (2018): Münchener Kommentar zum FamFG. Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) mit Internationalem und Europäischem Zivilverfahrensrecht in Familiensachen (IZVR, EuZVR). 3. Auflage. München: C.H.Beck.
Schulz, Werner; Hauß, Jörn (Hg.) (2018): Familienrecht. Handkommentar. 3. Auflage. Baden-Baden: Nomos.
Weinreich, Gerd; Klein, Michael (Hg.) (2019): Familienrecht Kommentar. 6. Auflage. Köln: Luchterhand Verlag.
Gerichtsurteile
Literaturhinweise
Castellanos, H.A. (2021). Psychologische Sachverständigengutachten im Familienrecht. Grundlagen - Beurteilungskriterien - Qualitätsstandards. Baden-Baden: Nomos.
Dettenborn, H. (2017). Kindeswohl und Kindeswille: Psychologische und rechtliche Aspekte. München: Reinhard.
Lack, K., Hammesfahr, A. (2019). Psychologische Gutachten im Familienrecht: Handbuch für die rechtliche und psychologische Praxis (Deutsch) Taschenbuch. Reguvis-Verlag.
Salzgeber, J. (2020). Familienpsychologische Gutachten: Rechtliche Vorgaben und sachverständiges Vorgehen. Frankfurt: Beck-Verlag.
Volbert, R., Huber, A., Jacob, A., Kannegießer, A. (Hrsg.) (2019). Empirische Grundlagen der familienrechtlichen Begutachtung: Familienpsychologische Gutachten fundiert vorbereiten. Göttingen: Hogrefe.
Zumbach, J., Lübbehüsen, B., Volbert, T., Wetzels, P. (2020). Psychologische Diagnostik in familienrechtlichen Verfahren. Göttingen: Hogrefe.
Links für Sachverständige
Aebi, T., Steinbach, J., Vilén, L. (2020) Leitlinien für psychologische Gutachten im Familienrecht ZKE 1/2020
https://docplayer.org/199432782-Leitlinien-fuer-psychologische-gutachten-im-familienrecht.html
Qualitätsstandards für Gutachten im Familienrecht erweitert – AG
Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht, Überarbeitung vom 18.9.2019
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